505 |
1 |
|
|a Friedrich Sieburg (geb. 1893) galt in den 1930er Jahren als bester deutscher Frankreichkenner. Für die Frankfurter Zeitung, das führende liberale Blatt in der Weimarer Republik, berichtete er seit 1926 aus Paris. Sein Buch Gott in Frankreich?, das in beiden Ländernzum Bestseller wurde, löste eine Gewissenserforschung in unserem Nachbarland aus, weil es den Franzosen in zugleich bewundernder und schonungsloser Weise das Bild spiegelte, das diese selbstgewissen Sieger von 1918 in der Welt hinterließen. Sieburgwendete sich nach 1930 der Konservativen Revolution um Hans Zehrer zu und liebäugelte nach 1933 vorübergehend mit dem Nationalsozialismus, weil er von Hitler die endgültige Aussöhnung mit Frankreich erwartete. Als er seinen Irrtum bemerkte, war es zu spät.Carl Zuckmayer, der ihm im Dezember 1938 in Paris begegnete, beschrieb ihn in seinem Geheimreport als höchst komplizierten und fast tragischen Fall̨. Durch seine - wenn auch marginale - Tätigkeit für die Deutsche Botschaft während der Besatzungszeitverspielte sich Sieburg endgültig die Sympathien, die er noch in Frankreich besaß. Dennoch gelang ihm in Deutschland nach 1945 eine zweite Karriere bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die ihn bis zu seinem Tod 1964 zu einem vielgelesenen Schriftsteller undgefürchteten Großkritiker, einer Art "Reich-Ranicki der frühen Bundesrepublik, machte.<br>Deinets Buch geht den Windungen dieses schillernden Lebenslaufes nach, ohne die Widersprüche in der Biographie Sieburgs glatt zu ziehen. Es entsteht das Porträt eines Intellektuellen, in dessen geistige Entwicklung sich die Brüche der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts eingeschrieben haben.
|